Montag, 10. Mai 2010

CL-FINALE 23.05.2001 MAILAND

Wer mich kennt, der weiß, daß ich schon seit jeher ein Faible für die Bayern aus München habe.
Nicht zuletzt deswegen, weil die Fanszenen von Karlsruhe und dem roten München schon immer gute Kontakte hatten. Aber auch ohne diesen Zustand fand ich diesen Verein schon immer geil.
Natürlich kann das der Großteil von Dummarsch-Deutschland nicht verstehen, wie man denn was Gutes an diesen "arroganten und verachtenswerten" Bayern finden kann. Ist mir aber auch schnuppe, ich bin mit Leib und Seele KSC-Fan und finde zudem noch Bayern gut. BASTA!
Und eben weil ich Bayern und seine Szene gut finde, bin ich auch schon desöfteren mit den Jungs durch die Lande gezogen.
Und nachdem ich die Bayern 1999 auch nach Barcelona begleitet hatte (der Ausgang des Spiels sollte fast jedem Fan ein Begriff sein) musste ich einfach auch das Finale in Mailand sehen. Zudem hatte ich damals ohnehin deustchlandweites Stadionverbot und konnte meiner blau-weissen Liebe unglücklicherweise eh nicht folgen.
Und wie so oft im Leben wurde aus der Not eine Tugend: ich packte mein Mädel und 2 Kumpels aus Pforzheim in die Karre und los gings: Ziel SAN SIRO !
Natürlich würde ich diese Geschichte nicht verkünden, wären bei dieser Reise nicht Unmengen ungewöhnlicher ja sogar phantastischer Dinge passiert, die einfach für die Nachwelt erhalten bleiben müssen. Doch immer eins nach dem anderen.
Wir fuhren Dienstag abend los und wollten die Nacht durch fahren um morgens schon in Mailand zu sein. Das erste zu bewältigende Hinderniss hiess Schweizer Grenze und bot sich schwieriger dar, als erwartet. Dämlicherweise hatte ich Clown ein mörder-verwegenes Kopftuch auf (warum auch immer) und da hieß es schon von den deutschen Zollbeamten: "Bitte mal rechts ran fahren!" Was normalerweise ein paar Minuten dauerte, zog sich dank meiner Polizeiakte und meines Gewa-Sport-Eintrages satte 90 Minuten hin. Daß hier aber keine Missverständnisse aufkommen, ich hatte nichts verbrochen, nach mir wurde nicht gesucht und ich durfte auch völlig legal ausreisen. Und eben weil gegen mich so überhaupt nichts vorlag, schmollten die Grenzer etwas und wollten mir eins auswischen. 90 (!) Minuten lang wie Schwerverbrecher im Auto sitzen, keiner durfte raus, auch nicht aufs Klo.
Kurious ist auch, was in dieser Zeit alles unkontrolliert die Grenze passierte. Da waren sicher mehr als ein Drogenkurier oder Menschenhändler dabei. Höhepunkt und Anlass für einen jolenden Lachanfall unsererseits war ein Türke, der in seinem uralten 200er Benz über die Grenze tuckerte. Er hatte vorne wie hinten KEINE Nummernschilder, ja nicht mal Stossstangen, wo man die Schilder hätte anbringen können. Und dazu kommt noch, daß der Kofferraum randvoll mit Dönerspiessen war. Ihr lacht, aber das war tatsächlich so! Er war sogar so voll, daß er gar nicht mehr zu ging und mit einem sexy Damenstrumpf mehr schlecht als recht zugehalten wurde. Da ja Damenstrümpfe bekanntlich sehr elastisch sind, wippte der Kofferraumdeckel auch bei jeder Bodenwelle lustig auf und ab, so als würde uns das Auto beim Wegfahren schadenfroh auslachen.
Und dieser Vogel, diese Gefahr für Leib und Seele, wurde von den deutschen wie von den schweizer Zöllnern ohne jede Kontrolle durchgewunken. OHNE WITZ!
Irgendwann ging es dann doch weiter und die restliche Fahrt über sahen sich meine Mitfahrer die Augenlider von innen an, will heißen, alle pennten, nur der gutmütige Typ am Steuer nicht.
In den frühen Morgenstunden standen wir bereits am Stadion und parkten das Auto. Gott sei dank kannte ich mich ums Stadion herum enigermaßen aus, so daß ich wußte, wo man gut und sicher parken konnte. Schon morgens um sechs waren Ticket-Mafiosi zu Gange und boten ihre Ware an. Das verhieß für den Rest des Tages nichts Gutes.
Vormittags wollten wir in die Stadt gehen und etwas Final-Atmosphäre tanken.
Der Plan war, am frühen nachmittag wieder am Stadion zu sein, um nach Karten zu schauen, denn so gut meine Connections nach München auch waren, zu diesem Spiel konnte man im Vorfeld absolut keine Tickets auftreiben.
Nun denn, in der Stadt war natürlich reges Treiben angesagt. Tausende von Bayern und Valencia-Fans bevölkerten die City und zunächst schien alles friedlich zu sein. Die bayrischen Freunde der dritten Halbzeit waren zwar auch mit einer mehr als passablen Mannschaft zugegen, doch ein Gegner war bislang nicht auszumachen. Schnell machte ich eine Menge Leute aus, die ich kannte und zu denen gesellten wir uns dann auch.
Irgendwann kamen dann ein paar Psychos aus Valencia auf die Idee, ihre einheimischen Kracher loszulassen. Doch waren das nicht irgendwelche handelsüblichen Böller, nein, es waren ca. 10-15 Meter lange Schläuche, die wie auch immer zig mal explodierten, aber mit der Sprengkraft von kleinen Granaten (vor allem die Endböller):
das waren sone Dinger









Und diese Dinger, ich will sie mal Terroristen-Pimmel nennen (muhahaha, ist mir grad eingefallen), waren natürlich ruckzug DIE Attraktion auf dem Mailänder Domplatz.
Doch die Spanier wurden immer unvorsichtiger und übermütiger und die Dinger kamen auch immer näher an die Münchner ran, die auch schon recht grimig drein schauten.
Lange Rede kurzer Sinn, irgendwann war dann Schicht im Karton und einige spanische Frohnaturen hatten plötzlich gar nicht mehr so viel zu lachen, denn es klatsche kurz und heftig, und schnurstracks flogen ein paar Sombreros und Ponchos durch die Gegend! Doch so schnell es eskalierte, so schnell war es auch wieder vorbei.
Trotz meiner extremen Endorphin-Ergüsse über das Geschehene entschieden wir gegen späten mittag wieder Richtung Stadion zu pilgern und uns um Karten zu kümmern.
Am Stadion bot sich uns ein beängstigendes Bild, speziell, wenn man schon diverse Schwarzmärkte gesehen hatte. Der komplette Karten-Handel war von der Mafia kontrolliert. Alle Karten kosteten ungefähr gleich viel (zwischen 800 und 1000 Mark). Und falls doch mal irgend ein verirrter Normalo noch ein Ticket loswerden wollten, hatten es diese Pimmel sofort aufgekauft um es für das doppelte zu verkaufen. Das Problem war, daß tatsächlich viele Leute diese Preise bezahlten. Und somit stellte sich die mir selbst auferlegte Maximal-Grenze von 250 Mark pro Ticket als geradezu lächerlich dar. Doch es war ja noch früh und ich sondierte das Treiben. Meine Perle setzte ich zum sonnen auf ein Mäuerchen, die anderen 2 versuchten ihr eigenes Glück und ich tigerte wie gesagt umher und beobachtet erstmal alles.
Doch entgegen aller Erfahrung bleib dieser Schwarzmarkt auch für die nächsten Stunden absolut konstant. Nach 4-5 Stunden bekam ich erste Zweifel, ob denn das heute noch was werden würde. Nur nebenbei vernahm ich einige Sirenen in der Nähe des Stadions, doch denen maß ich keine Bedeutung zu. Ich konzentrierte mich weiter auf das Treiben um mich herum.
Als die Sirenen lauter und häufiger wurden und ich sie erst richtig realisierte, bekam ich mit, was überhaupt die ganze Zeit los war. Einige motivierte Münchner hatten von dieser Drecks-Abzocke die Schnauze voll und zogen verteilt auf kleine Grüppchen um das Stadion. Ihre Mission: Schwarzmarkt-Händler abziehen!
Wie schon erwähnt, kannte ich diese Jungs ja fast alle und sie mich glücklicherweise auch.
Ich lief auf einen Gruppe zu, die gerade am Stadion ankam. Die waren allesamt gut drauf und fühlten sich ein wenig wie Robin Hood. Sie zogen den Händlern die Karten ab und verteilten sie an die suchenden Bayern-Fans. Was für Ehrenmänner! In einem Nebensatz merkte ich übrigens völlig zufällig an, daß ich auch noch zwei Tickets brauchen würde und die Zeit bis zum Spiel ja langsam knapp werde. Das liessen sich die unerschrockenen Mannen nicht zweimal sagen und zogen siegesgewiss nocheinmal los, um Beute zu machen, und zwar für mich!!
Ich schloss mich dieser Reisegruppe selbstverständlich an und schnell war ein Opfer, welches sich zu weit von der Herde seiner Mafiosi-Kumpanen entfernt hatte, ausgemacht.
Dieser kleine geschmierte Typ, ich nenn ihn mal Fredo, wedelte energisch mit seinen 2 Karten in der Luft herum, gerade so, als wolle er damit seine Körpergröße von einsfuffzig überschatten.
Ein Münchner fragte, wie viel er dafür haben wolle. Als er dann was von 2000 Mark sagte, war das eindeutig, aber sowas von eindeutig die falsche Antwort, und der kleine Fredo machte sich auf eine abenteuerliche Reise durch den Watschen-Wald. Flap-di-Flup waren seine Karten und seine DG-Brille dahin und zu allem übel war auch noch die Frisur im Eimer. Armer Fredo, vielleicht hast du daraus was gelernt.
Ich für meinen Teil schnappte mir die Karten, knutschte jeden der ca. 15 Münchner gründlich ab und subtrahierte mich vom Geschehen.
Schnell noch mein Mädel geschnappt und ab in den Fussball-Tempel. Ich wollte nix mehr anbrennen lassen, waren wir doch so nah dran.
Es klappte, wir waren im Stadion und hatten traumhafte Plätze auf der Gegengeraden von denen man die atemberaubende Choreo der Bayern-Fans perfekt sehen konnte.

Die Stimmung war wirklich gnadenlos geil und Bayern sang die Spanier regelrecht an die Wand.Zur zweiten Halbzeit gab es dann in bester Milan-Manier noch eine kleine Pyroshow.Zwar etwas kleiner, wie sie diese Trbüne sonst erlebte, aber auf alle Fälle schön anzusehen.

Wie das Spiel verlief, brauch ich wahrscheinlich keinem hier erzählen, Bayern gewann in einem Herzschlag-Elfmeterschiessen den Pott und ca. 30.000 Münchner hatten das Trauma von Barcelona vergessen und lagen sich freudetaumelnd in den Armen, und als dann von mehr als dem halben Stadion der "Stern des Südens" angestimmt wurde, muß auch ich zugeben, eine Mörder-Gänsehaut bekommen zu haben.
Wenn man bedenkt, daß wir das alles für umme bekamen, bzw. uns der gute Fredo
großzügigerweise eingeladen hatte, kann ich heute noch unser Glück kaum fassen.
Einzige Wermutstropfen dieses Tages waren, daß meine 2 Kumpel, die sich ja selbst auf die Suche gemacht hatten, leider keine Karten ergattern konnten und das Spiel und den Bayern-Triumph
nur von draußen mitbekamen. Doch als eingefleischte Bayern-Fans waren sie lieber nicht drin, und Bayern gewinnt, als umgekehrt.
Und der zweite Wermutstropfen war, daß olle Fredo leider komplett leer nach Hause kommen mußte und sicherlich von seiner dicken Mafiosi-Mama was mit dem Pasta-Holz bekam.
Doch unsere Geschichte hatte noch ein etwas unwürdiges Ende.
Als unser Spassmobil wieder an die Grenze zu Deutschland kam, wurden wir leider wieder heraus gepickt, doch diesmal sollte alles einen Zahn heftiger zugehen. Irgendie hatten es sich die Zoll-Wichser zum Ziel gemacht mir wirklich noch ein richtiges Pfund hinein zu drücken.
Und obwohl es ja in Mailand auch keinerlei Randale gab (mal abgesehen von der Kleinigkeit am Domplatz, die die Bullen eh net mitbekamen), wurde an mir, und nur an mir ein Exempel erster Kajüte statuiert.
Ich musste im Auto sitzen bleiben und ein Zöllner bewachte mich mit der Hand an der Knarre.
Anscheinend genügten drei normale Zöllner nicht für mich und es wurde tatsächlich eine Spezial-Einheit aus einem Nebengebäude geholt. Mit diesen 6 Jungs war dann gar nicht mehr zu spassen, ich wurde aus dem Auto gezogen, mein Kopf aufs Dach geknallt, meine beiden Mittelfinger wurden mir auf dem Rücken so sehr nach oben gebogen, daß sie beim nächsten Zentimeter gebrochen wären. Dies alles bereitete unseren Freunden und Helfern sichtliche Freude, im Gegensatz zu meiner Freundin, die mal richtig Angst bekam.
Wohlgemerkt, ich hatte definitiv nichts verbrochen.
Als ich dann so gekrümmt auf mein Auto gepresst wurde, und sämtliche Fressen in den vorbei-fahrenden Autos hämisch lachten, dachte ich so für mich selbst: Ist es das alles noch wert? Ist es ein Fussball-Spiel wert, solche Strapazen und komplett grundlosen Repressionen über sich ergehen zu lasssen zu müssen?
Da überkam mich innerlich ein teuflisches Grinsen und ich sagte zu mir selbst: Verdammt nochmal, ja, das ist es wert! Scheiss auf die Bullen, scheiss auf den Staat, ich war beim CL-Finale und habe Fussball-Geschichte miterlebt, und das kann mir keiner dieser grünen Wixfrösche mehr nehmen!
Nach weiteren 2 Stunden Folter und Beleidungen durften wir ohne jede Erklärung oder Entschuldigung seitens der Staatsmacht weiterfahren.
Und auf den letzten 180 Kilometern passierte dann auch ausnahmsweise wirklich nichts erwähnenswertes mehr.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen