Mittwoch, 15. Dezember 2010

BUCHTIP "TIFARE CONTRO"



In Auszügen aus dem italienischen Orginal hatte man schon ab und an von diesem Werk des italienischen Ultras Giovanni Francesio gehört, der im übrigen seinen Verein bzw. seine Gruppe nie öffentlich gemacht hat. Jetzt wurde es endlich übersetzt und ist für wenig Geld zu haben.
Das Buch ist gut und steckt voller Informationen und Anekdoten aus einigen Jahrzehnten der italienschen Ultra-Bewegung. Von vielen einschneidenden Ereignissen hat man als langjähriger Beobachter der dortigen Szenen und Gruppen schon oft gehört, aber hier erfährt man eine Fülle von teilweise erschütternden Details, die mehr als einmal zum Nachdenken anregen.
Das Buch ist aber leider nicht perfekt, muss es ja auch nicht sein. Es gibt den ein oder anderen Kritikpunkt meinerseits, der das Lese-Vergnügen (so man das bei den vielen Tragödien überhaupt so nennen kann) ein wenig trübt. Beispielsweise ist es ziemlich umständlich übersetzt. Oft verirrt man sich in einem der zahllosen Schachtelsätze um sich irgendwann zu fragen, was man eigentlich gerade gelesen hat. Dazu kommen die fast auf jeder Seite vorkommenden Fussnoten, die teilweise die Hälfte der Seite einnehmen. Diese alle zu lesen (und das sollte man, denn es sind viele weiterführende Hintergrund-Infos darin versteckt) kostet sehr viel Zeit und macht den Wiedereinstieg in den ursprünglichen Text etwas mühselig. Auch inhaltlich habe ich etwas auszusetzen.
Ich darf behaupten, die italienischen Gruppen in den 90er Jahren (als sie noch das waren, wofür sie bekannt waren) etwas kennen gelernt zu haben. In diesen Jahren habe ich gut und gerne 60-70 Spiele in fast 40 verschiedenen Stadien gesehen.
Ich habe dabei auch viele Krawalle erleben dürfen, sei es unter rivalisierenden Gruppen oder gegen die Polizei. Was aber am meisten bei mir hängen blieb war die fantastische Stimmung in den autonomen Kurven, die unzähligen Pyro-Shows und die teilweise atemberaubenden Choreographien, die viele deutsche Hopper immer wieder in dieses (damalige) Fussball-Traumland zogen.
Und da liegt auch schon die Kritik an dem Buch. Der Autor bezieht sich fast ausschliesslich auf die Kämpfe und die Strassenschlachten dieser Jahre und reduziert den Begriff ULTRÀ damit auf das, was viele Kritiker und Gutmenschen immer wieder daraus machen wollen. Rowdytum!
Ohne daß ich diese Ausführungen anzweifeln will oder den kausalen Zusammenhang zwischen der langjährigen Gewalt und dem aktuellen Chaos in Italien in Frage stellen will, finde ich es einfach sehr schade, daß so fast nichts Positives erwähnt wird, wofür gerade die großen und von Mentalität nur so strotzenden Szenen bekannt waren und teilweise auch noch sind.
Aber dennoch ist das Buch absolut lesenswert. Es hilft Neueinsteigern zu verstehen, was die Faszination ULTRÀ ausmacht (auch wenn diese wie schon erwähnt weitaus mehr in sich verbirgt, als nur den bloßen Gewaltexzess) und Leuten, die sich schon mehr oder weniger gut mit der Materie auskennen, liefern diese Erzählungen überaus wertvolle und teilweise unerwartete Informationen über die politischen gesellschaftlichen Strukturen des Landes und dem daraus resultierenden Verhältnis der Ultras zur Staatsmacht. Es wird immer wieder klar, wie wichtig die Politik schon seit Beginn der Ultra-Bewegung (Ende der 60er Jahre !!) in den Kurven war und ist.

Sonntag, 12. Dezember 2010

BLOOD FOR BLOOD (09.12.2010 SAARBRÜCKEN)

Die diesjährige Persistence Tour ist sicherlich in der Hauptsache von der Reunion der Hardcore-Legende BLOOD FOR BLOOD geprägt. Auch wenn Kultgittarist Rob Lind (noch) nicht wieder mit von der Partie war (wurde für die Tour durch Biohazards Billy Graziadei vertreten), waren die Jungs aus Massachusetts der heimliche Hauptact der Tour. Auch wenn geile Bands wie Cruel Hand, Casey Jones, die Ur-Thrasher D.R.I. und die New Yorker Sick of it all mit am Start waren, letztere sind schliesslich selbst lebende Legende, war man allerorts fast ausschliesslich auf die Mannen um Mike "Buddha" Medina gespannt. Also auf nach Saarbrücken, im Schlepptau Larso und WS-Jens. Leider machten uns der extrem frühe Beginn der Show und das schlechte Wetter einen kleinen Strich durch die Rechnung. Autobahn-Vollsperrung und ein überfordertes Navi führten dazu, daß wir erst während UNEARTH (mit Evergreen Terrace die diesjährigen 0815-Metalcore Bands, die dieser Tour unnötigerweise immer wieder aufgezwungen werden)eintrafen. Aber die wollte eh keiner wirklich sehen. Danach sollten nun endlich BLOOD FOR BLOOD kommen. Und sie kamen!
Der Laden war voll, viele Skins in den Reihen. Doch war die "Garage" nicht so voll, wie ich es erwartet hätte. Und das war eine von vielen Erwartungen, die an diesem Abend nicht so ganz erfüllt wurden. BFB schossen eine Hymne an der anderen raus, der Mob war gut und ging heftig zur Sache. Aber der wirkliche Funke, welcher ein Konzert zu einem Kammer-Konzert machte, wollte nie so richtig über springen. Gründe hierfür waren wahrscheinlich die Barrikaden vor der Bühne, die den direkten Kontakt zwischen Meute und Band komplett verhinderten und die die Tatsache, daß die Band den Gig relativ lust- und powerlos herunter spielten. Wie gesagt, die Show war gut, besser als Durchschnitt, aber in keinster Weise die psychopathische und in vollkommenem Chaos endende Hardcore-Show, die sich viele, inklusive mir, gewünscht hatten.
In der darauffolgenden Umbau-Pause wurde schnell klar, was jeder Szene-Kenner schon befürchten musste. Die Thrash-Ur-Giganten D.R.I. sollte leider vor fast leerem Saal spielen, denn sicher 75% der Leute gingen entweder ganz oder vertrieben sich die Zeit draußen im Raucherraum oder beim Merchandising. Die Texaner sollten also von den Leuten nicht mal das Mindestmaß an Respekt bekommen, indem man sich die Show wenigstens angeschaut hätte, nein, die Band enterte die Bühne vor gerade mal 70-80 Leuten. DAS war ERBÄRMLICH!
D.R.I. haben soviel mehr verdient, aber hier müssen sich auch die Veranstalter an die Nase fassen, denn dieses Billing war von Beginn an eine Totgeburt. Jedenfalls spielten D.R.I. ihren Gig runter und ein paar Wenige pogten etwas durchs weite Rund und tatsächlich wurden es von Lied zu Lied ein paar mehr, welche den "Pit" aber auch nicht mit der positivsten Betrachtung jemals gut werden liessen. Wäre hier eine gute Meute am Start gewesen, hätten die Ami-Thrasher sicher eine grandiose Show hingelegt, denn das Zeug dazu haben sie zweifelsohne. Aufgrund der Ablehnung der Leute blieb es für das Quartett aber nur bei einer bessere Bandprobe.
Als Headliner sollten danach die allmächtigen SICK OF IT ALL aufspielen und, oh Wunder, die heiligen Hallen von Saarbrücken füllten sich auf einmal wieder mit allerhand Glatzen-Pack, die die Pause offensichtlich genutzt hatten, um etwas Energie zu tanken, denn die Power-Show von SOIA steckte auch den zurückgekehrten Pit sofort wieder an und es wurde eine Hardcore-Hymne nach der anderen frenetisch abgefeiert. SOIA lieferten ein klasse Show ab, wie immer. Es gibt bei den New Yorker eben keine Unbekannte, was aber nicht unbedingt immer positiv zu sehen ist, denn irgendwie sind deren Auftritte zwar immer gut, aber irgendwie auch immer austauschbar was zumindest mir ab und an den Kick verschliesst, den man bei einer enrgiegeladenen Show bekommen sollte. Aber dennoch werden SICK OF IT ALL immer zu den ganz Großen des NYHC zählen.
Aufgrund des Wetters und des relativ langen Rückweges machten wir uns auch schon vor dem Ende des Konzertes auf den Heimweg, da wir auch noch unbedingt was zum beissen auftreiben wollten. Wie das Schicksal so spielt, war im Umkreis nur noch Kentucky Fried Chicken offen (Sorry PETA, war ne Ausnahme). Nun offen ist relativ, man konnte zwar noch rein, aber die waren schon am putzen und die Kassen waren schon dicht, obwohl auf der Ablage noch massig Hühnerteile lagen. Nach einigem Hin und Her und großem Gejammere, bekam jeder von uns dreien sein eigenes Eimerchen voller fett-triefender und höllisch scharfer Köstlichkeiten. Und das fürn nen Fünfer pro Mann! Die Kohle floss mit Sicherheit direkt in den privaten Drogen-Fond des russischen Chefs, doch das war und bumms. Wir saßen auf dem Parkplatz und schoben und ein Teil am anderen rein. Die Panate verteilete sich überall im Auto und dem Geruch nach war meine Karre eine riesige fahrende Friteuse! Und obwohl uns allen schon kotzübel war, wollte keiner so recht als erster aufgeben, dieses ungesunde Zeugs rattenmäßig abzunagen. Erwartunsgemäß verlor der Schmächtigste von uns (Klein-Jenso) denn nur lächerliche drei Teilchen fanden den Weg in seinen Schlund!
Absolut vollgefressen, mit abgeätzten Mundschleimhäuten und mit der Gewissheit, daß die gerade zu uns genommene Mahlzeit noch mindestens ein weiteres Mal brennen würde, machten wir uns auf den langen und einsamen Heimweg.
Ich weiß übrigens von mindestens zwei Dritteln der Besatzung, daß sie in nächster Zeit keinen Arsch-Haar-Frisör mehr brauchen werden, denn der "Output" des nächsten Morgens versengte einem ALLES, was da nur annähernd hätte spriessen können.

hier noch ein Video aus dem Netz:

Freitag, 3. Dezember 2010

NECRO (02.12.2010 STADTMITTE)

Die große Vorfreude, daß der geile New Yorker Rapper NECRO in die Stadtmitte kommen sollte, war schnell etwas verflogen, als wir die Location enterten. Denn gegen neun Uhr waren gerade mal 10-15 Leute da. Jeder, der sich auskennt, weiß, wie zäh und kotzig eigentlich geile Konzerte sind, denen es aber an einer abgeh-freudigen Crowd fehlt. Doch bis zum Konzertbeginn sollten noch ein paar Leute kommen und so wurde der Supergau noch verhindert, denn letztlich waren dann doch 60-70 Leute da, die sogar noch richtig gut abgehen sollten. Vor dem Konzert hatte ich erfahren, daß NECRO nicht durch den normalen Eingang (der durch die Location führt) kommen wollte, sondern irgendwie einen Extra-Eingang wollte. Warum auch immer. Wenn ich sowas höre, hab ich schon fast genug, denn wenn ich eins hasse, dann sone sinnlosen Star-Allüren. Na ja, die Jungs von der Stadtmitte haben dann wohl irgendeinen Notausgang aufgeschlossen und der feine Herr war dann endlich im Haus. Als er und sein Rap-Kumpan Mr.HYDE auf die Bühne kamen, traute ich meinen Augen nicht. Man mußte annehmen, daß NECRO bald seinen Winterschlaf halten wird, denn wie sonst kann man sich DIESE FETTRESERVEN erklären, die der Bursche gegenüber seinen Videos in letzter Zeit fleissig angefressen hat! Mal ehrlich, gegen NECRO wirkt Doug Heffernan wie eine Fahrrad-Speiche!
Anyway, auf Jeden Fall hatten Dick und Doof sofort alles in fester Hand.
NECRO suchte sich gleich einen Handlanger aus dem Publikum raus, der ein Terror-Shirt trug. Diesen "zwang" er, beim nächsten Lied einen Pit zu starten. Und man kann sagen was man will, aber das tat er gut! Schnell pogten ca. 30-40 Leute vor der Bühne herum und haben dem harten Rap der beiden New Yorker ein angemessenen und SO nicht zu erwartenden Rahmen verliehen.
Entgegen seiner anfänglichen Allüren hatte NECRO jetzt absolut keine Berührungsängste mehr, im Gegenteil, er suchte immer wieder den direkten Kontakt zu den Leuten. Ich glaube trotz der wenigen Leute hatten Rapper und Fans beide Spass bei dem Konzert.
NECRO knallte mit seiner Reibeisen-Stimme uhrwerkmässig einen Rap am anderen raus, wobei er in vielen seiner Lieder Themen oder Textzeilen von Metal oder Hardcore-Größen verwendete. Er schafft mit Hilfe seiner musikalsich harten Vergangenheit und seines Rap-Talentes ein überaus interessante und vor allem knallende Mischung aus beidem zu schaffen.
Er nennt es ja sinnigerweise Death Rap. Treffender kann man es wohl nicht ausdrücken.
Nach ca. 45 Minuten war die Show dann aber auch schon zu Ende, weil NECRO angeblich einen Magen-Darm-Virus hatte und höllisch kacken musste (also ich glaub ihm, bei dem Zeugs, was der in sich reinstopfen muss).
Das fanden einige Leute aber nicht so prickelnd und foderten von NECRO lauthals: "PUT YOUR FAT ASS BACK ON STAGE". Keine Ahnung, ob der Spruch mittlerweile bei HipHop Konzerten so Gang und Gebe ist, aber wenn es an DIESEM Abend nicht passte wann dann? Denn olle NECRO hat definitiv einen fatten Ass, wo ihm doch nur noch modische Joggers passen!
Die beiden kamen tatsächlich nochmals raus und zockten noch 2 Hits in den Raum.
Das wars dann aber auch. Alles in allem ein echt gutes Konzert. Und Gott sei dank flogen etwas die Fetzen, eben so wie früher, als Hip-Hop Konzerte noch gute Crowds hatten, nicht so ein Luftnummern-Schaulaufen wie heute, bei denen die einzige Bewegung durch die Arme passiert.
Ach ja, mein Herz hatten die beiden spätestens gewonnen als die Sprache auf den Gig des Vortages kam, der in Stuttgart war.
Mr.Hyde forderte die Leute auf, besser und härter abzugehen, als die Schaben-Meute.
Das unterlegte er während des Liedes mit dem immer wieder kehrenden Schlachtruf: "DESTROY STUTTGART - DESTROY STUTTGART - DESTROY STUTTGART"

War das schööön!!