Dienstag, 27. Juli 2010

DAS FEST - EIN QUERSCHNITT

Nun ist das auch wieder vorbei und wider meiner Erwartungen scheint das neue Konzept wohl aufgegangen zu sein. Denn das Hauptgelände war zwar gut voll, aber niemals dermaßen überfüllt, wie in den letzten Jahren. Sicherlich hatte das schlechte Wetter auch seine Anteil daran, doch wie groß dieser Letztenendes war, wird man frühestens nächstes Jahr feststellen können.
Nun denn, ich konnte mir Freitags nur JAN DELAY anschauen.
Man kann ja über den Hamburger viel sagen, aber er ist ein einfach ein guter Showmaster und hat mit seiner Disco-Masche wohl den absoluten Zahn der Zeit getroffen. Klasse Musiker, hübsche und vor allem in vielerlei Hinsicht talentierte Background-Sängerinnen und eine insgesamt tolle Show machten den Auftritt zu einem absoluten Highlight. Ich kann mir den Burschen auf CD nicht sehr lange anhören, weil mir sein gequitschter Disco-Funk meistens langsam aber sicher auf den Zünder geht- Aber live ist der ehemalige Beginner eine absolute Wand und immer eine Reise wert.
Das war dann auch schon der Freitag für mich, weil Samstag morgen wieder der Wecker zur Arbeit auffordern sollte.
Samstag kam ich auch erst später aufs Gelände, es spielte gerade die überflüssige Luftnummer BELA B. Sorry, aber ich konnte schon an den Ärzten nie was finden, geschweige denn daß die Vögel nie wirklich was mit Punk zu hatten. Aber ich war auch nie ein Punk, also ist mein Urteil vielleicht anmassend. Wen juckts!
Aber ich hatte eh ein Kontrast-Programm auf dem Plan. Auf der kleinen Bühne spielte die Berliner Combo WAR FROM A HARLOTS MOUTH. Und wieder sollte die Show einer Band einen inneren Konflikt in mir auslösen.
Doch dazu gleich mehr. Mal abgesehen daß es leider noch taghell war (ist immer schlecht fürn Open Air) zockten die Hauptstädter einen fetten Gig herunter. Die Jungs spielen einen harten Metal-Schuh, mit teilweise fast schon noise-artigen Knüppel-Attacken und ner gehörigen Portion Metalcore. Erinnerten mich an die Speedster von Despised Icon. War teilweise echt phatt und der Funke sprang mehr als einmal auf die Crowd über.
Ach ja, da war ja noch mein innerer Konflikt. Das aktive Publikum bestand fast ausschliesslich aus schweine-jungen Leuten, von denen viele wohl Flüchtlinge waren, weil sie hatten den Stacheldraht noch in den Zähnen hängen. Nun ging es aber in diesem Meer von New Era-Caps ganz ordentlich zur Sache.Sogar ein zünftiger Circle Pit wurde iniziiert. Der Altersdurchschnitt war aber so niedrig, daß sogar schon die 22-Jährigen selbstgefällig am Rand standen, aber nicht weil sie sich nicht in den Mosh-Pit trauten, sondern weil sie arroganter Weise der Meinung waren, es nicht mehr nötig zu haben, sich zu bewegen und sie in ihrem gehobenen Alter sich das Ganze eher von außen betrachten,
Anyway, ich war mir nicht sicher, ob ich es gut finden sollte, daß im Jahr 2010 Metal und Hardcore noch nicht tot sind und massig Nachwuchs hervor bringen, sodaß sogar bei SO einem Festival solche Bands eine Lobby bekommen oder mir die neuen und jungen Leute, die von Oberflächlichkeit und Konsum-Zwängen geprägt sind, einfach nur auf den Sack gehen, weil sie viele der alten Szenen-Werte nicht mehr leben bzw. noch nie kannten.
Es ist schwer, hier eine Antwort zu finden, aber unterm Strich war es gutes Konzert und ich bin froh, daß ich mir die Show angesehen habe.
Danach zurück zum Mount Grape, wo unsere kleine Kolonie ihren festen Platz gefunden hatte.
Gerade gaben sich THE EDITORS die Ehre. Ich muss ja zu meiner Schande zugeben, daß ich diese Band vorher nicht kannte. Aber dafür kenne ich sie jetzt! Auch wenn die Mucke vielleicht nicht der beste Festival-Act ist, fand ich die Songs und die Performance der Jungs aus Birmingham echt gut. Das Ganze war für mich eine Mischungs aus alten Synthie-Pop Bands wie Depeche Mode oder U2 und aus neueren Indie-Pop Bands wie Killers oder den Manic Street Preachers. Und da das allesamt Bands sind, die ich mag, mochte ich folgerichtig auch THE EDITORS. Eigentlich ne ganz logische Sache!
Das war dann auch schon der Samstag, wir schauten zwar noch kurz auf der kleinen Bühne vorbei, doch die dort spielende Band hatte zwei gravierende Störfaktoren. Erstens kann man sich den Namen nicht merken (FIGLI DI MADRE IGNOTA!?!) und zweitens haben sie ne Klarinette im Programm, und davon bekomm ich Ohrenkrebs.
Im vorbei laufen war zwar der ein oder andere fetzigen Ska-Part zu hören, aber der wurde dann auch meistens wieder durch irgendeinen lästigen Folklore-Teil abgelöst. Also nix wie weg, weil net mein Ding!
Sonntag war dann trotz freiem Eintritt (warum eigentlich?) auch nicht übermäßig viel los und man konnte sein Quartier wieder relaxed am Mount Grape einnehmen.
Von dort aus sah ich dann die wahrscheinlich beste Band, die das Fest je gesehen hatte.
Das JOHN BUTLER TRIO, dessen Musiker allesamt virtuose Genies zu sein schienen, war stimmungsmäßig sicher nicht der Reisser. Aber das lag mit nichten an der Qualität der Musik.
Nein, die Darbietung der Band vor dem aus hauptsächlich Allesverwertern bestehenden Publikums kann man fast nur mit einem Satz beschreiben: Das waren definitiv Perlen vor die Säue geworfen.
Echt ein klasse Konzert!
Danach kam natürlich noch mein persönlicher Höhepunkt des Wochenendes. GENTLEMAN!
Ich finde den Typen einfach klasse, seien es sein Stil, seine Musik oder nur sein Werdegang.
Zu Beginn rief er jedoch zu einer angebrachten Schweigeminute für die Opfer der Loveparade auf. Dass diese sich nicht poisitiv auf den Beginn des Konzertes auswirkte, ist nur logisch und somit brauchte es etwas länger als sonst, bis die Leute auf der Bühne richtig warm wurden und der Funke übersprang. Die Qualität der Lieder ist einfach grandios, speziell vom Meisterwerk "Journey to jah" wurden einige Reggae-Hymnen gespielt und obwohl die neueren Sachen doch eher popig und softer sind, kamen sie überaus gut an und es wurde bis zum Ende des Konzertes gefeiert. Ein würdiger Abschluss eines schönen Wochenendes voll guter Musik und ausschliesslich angenehmen Wetters!

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