Dienstag, 26. November 2013

BILLY BRAGG (13.11.2013 TOLLHAUS KARLSRUHE)

Als ich irgendwann im Frühjahr auf der Tollhaus Seite lass, dass BILLY BRAGG dorthin kommen würde, wusste ich von diesem Sänger, oder neudeutsch diesem "Singer-Songwriter" nur soviel, dass er folkige und teilweise ziemlich politische Lieder im englischen Arbeiterklasse-Stil machte. Songtechnisch hatte ich zu diesem Zeitpunkt vielleicht 2-3 Lieder von ihm gehört, wenn überhaupt!
Doch ich war von Beginn an neugierig. Wenn so ein Künstler schonmal in Karlsruhe anklopft, sollte man sich wenigstens etwas damit befassen. Also zog ich mir in der nächsten Zeit allerlei Zeugs rein, viel Musik, auch ein paar Artikel und was ich halt so finden konnte. Ich kam zum Schluss, dass mich dieser Mensch, der offensichtlich auch heute noch, im zarten Alter von 55 Jahren einiges zu sagen hat, brennend interessiert. Mein Kumpel Larso, bei dem ich mit BILLY BRAGG ne offene Tür einrannte, war gleich samt Madame angesteckt und dabei. Mit von der Partie war auch noch Kumpane Nr.2 aka WS-Jenz, womit die Crew komplett war. Soweit die Fakten des Abends!
Vor-Singer-Songwriter war ein Typ namens KIM CHURCHILL. Der kam komplett schüchtern auf die Bühne, wo im Dunkeln vor ihm ca. 300 Leute warteten. Er sah etwas aus wie Art Garfunkel, und entpuppte sich schnell als absolutes Genie. Nicht dass er mit rauchig-weicher Stimme sang und dabei seine Akustik-Gitarre auf virtuoseste Weise bediente, nein, zudem spielte er noch Mundharmonika (wenn er grad nicht sang), trat mit dem linken Fuss eine Bass-Drum, am rechten Fuss hatte er Rhythmus-Schellen und mit dem Ellenbogen(!) bediente er ab und an noch so ein Metal-Glockenspiel neben sich. UND DAS ALLES SO GUT WIE GLEICHZEITIG !! Damit nicht genug trommelte er in Gitarrenpausen auf dem Klangkörper derselben total komplizierte Rhytmen.
Wenn es biologisch möglich wäre würde ich sagen, dass Churchill das leibliche Kind von Pete York und einem Metronom ist, denn sowas habe ich wirklich noch nie gesehen. Bei all dem Lob über sein Multi-Talent darf man im übrigen nicht vergessen, dass er auch klasse Songs ablieferte, teilweise verträumt, dann aber auch wieder schneller und rockiger. Ich fang ihn sogar so gut, dass ich mir spontan zwei Silberlinge sicherte, was ich auch nach dem Anhören nicht bereute.
Dann kam BILLY BRAGG samt Band auf die Bühne. Er war komplett verschnupft und erkältet was man auch gleich hörte. Doch er zog die Show durch. Seine beschlagene Stimme klang dadurch vielleicht noch etwas rauher, was sicher kein nachteil war. Eins vorneweg: BILLY BRAGG ist ein absoluter Bühnentyp, der es geniesst dort oben zu stehen. Er war so locker, dass es teilweise schon fast Comedy war, was der sympathische Engländer da ablieferte. Er erzählte tausend Geschichten, die einen mal zu Lachkrämpfen zwangen, mal zum Nachdenken bewegten. Es war ein Auf und Ab der Emotionen, auch in seinen Songs. Ich will mal seine Musik so beschreiben: von der Stimme her erinnert er oft an Mark Knopfler oder die langsameren Sachen von Springsteen, bei seiner Musik kommen einem nicht zuletzt durch den Einsatz der Lap-Gitarre öfter Größen der Country-Musik in den Sinn, dann hört man auch wieder etwas von Johnny Cash heraus und ganz oft erinnerte mich BRAGGs Musik an die englischen THE SMITHS. Letztere gerade bei den Liedern, die diese wunderschöne und bittersüsse Working Class-Melancholie verbreiten, als würde man nach dem Gewerkschaftstreffen der "Union" in einer nordenglischen Arbeiterstadt noch einige Biere im Pub um die Ecke trinken und dabei in gedämmtem Licht die Protest-Lieder der guten alten Zeit singen.
BILLY BRAGG brachte dieses und sehr viele andere Gefühle authentisch rüber. Obwohl das Konzert fast drei Stunden ging (davon laberte sich BRAGG sicher eine Stunde lang eine Wolf), wurde es zu keinem einzigen Moment langweilig. Er hat sehr viel zu sagen, in seinen Liedern und auch in den Pausen dazwischen. Man merkt, dass er im tiefsten Inneren immer ein Revoluzzer des linken Flügels war und bis heute geblieben ist. Seine Messages gegen Faschismus, Ausbeutung, Homophobie, Sexismus und Polizeigewalt glichen manchmal eher eine Kundgebung, doch Bragg verstand es, das Ganze nicht mit erhobenem Zeigefinger zu "predigen" sondern einfach nochmal das den Leuten ins Gedächtnis zu rufen, was eh schon darin manifestiert war, aber vielleicht in den letzten Jahren der Bequemlichkeit zum Opfer fiel.
Ein toller Abend. Jede Minute und jeden Euro wert. BILLY BRAGG steht spätestens ab diesem Abend in meinem Buch der coolen Leute. Dicke Grüsse an die Schlagers, WS-Jenz und last but not least an Felix samt Freundin (deren Namen ich immernoch nicht (mehr) weiß)

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