Donnerstag, 14. Juni 2012

METALLICA - EINE LIAISON ZWISCHEN LIEBE UND HASS

Wir schreiben das Jahr 1988 und ich war zarte 15 Jahre alt. Meine musikalische Entwicklung hatte in den vorherigen Jahren ihren eigenständigen Lauf genommen und ich entwickelte meinen eigenen Musikgeschmack von Tag zu Tag weiter. Bisher stand ich in der Hauptsache auf Bands der NWOBHM (New Wave Of British Heavy Metal) wie IRON MAIDEN, SAXON, BLACK SABBATH, SATAN, VENOM oder MOTÖRHEAD, eben alles relativ melodisches und eingängiges Zeugs, was im Allgemeinen schnell und ohne große Umwege den Weg in die Gehörmuschel fand. Der damalige Musik-Dealer meines Vertrauens war hauptsächlich die Plattenabteilung des Kaufhauses Wagener. Ja, man höre und staune, die gab es damals noch und war zudem noch erschreckend gut sortiert. Alle Furz lang kam ich in meiner sonst so beschränkten Umwelt auch mal nach Karlsruhe und betrat dann die heiligen Hallen des WOM (World of Music) oder des Music Pools, beides deLuxe Plattenläden, aber wie schon gesagt, das Kaufhaus Wagener hatte da auch einiges zu bieten. Und als ich mal wieder so meine Finger durch die diversen Plattenstapel wandern liess, fiel mir (wie schon des Öfteren) eine Platte in die Hände, deren Cover sehr abstrakt und beklemmend aussah und somit im totalen Gegensatz zu den herkömmlichen Metal-Covers stand, die vor Phantasie, Epik und Heldentum nur so trieften. Die Platte, um die es ging, hieß MASTER OF PUPPETS und war von der Band METALLICA. Die Band kannte ich natürlich schon aus diversen Artikel im Metal Hammer doch bisher hatte ich noch keinen Ton der Band zu Gehör bekommen. Ich wusste also in keinster Weise, was da musikalisch drin steckte. Aber ich ging das Risiko ein und griff mir die Scheibe ab. Man muss dazu sagen, daß zu diesem Zeitpunkt ein ganz anderes Album von Metallica aktuell erschienen war, nämlich ... AND JUSTICE FOR ALL. Das drei Jahre zuvor erschienen Puppets-Album war aber somit wenigstens etwas günstiger und fand für 10 Mark und 99 Pfennig den Weg in mein Reich. Zu Hause konnte ich es kaum erwarten, das Teil auf meinem Plattenspieler aufzulegen. Dann die ersten Tönne des Openers "Battery". Dabei dachte ich im ersten Moment, daß das sicher noch besser werden würde, denn es gefiel mir so gar nicht. Doch was dann mit dem Titelsong "Master of puppets" geschah, hatte ich so nicht erwartet. Es war wie ein Kulturschock. Ich konnte mit diesen harten und beängstigenden Riffen und der düsteren Atmosphäre überhaupt nichts anfangen und nach dem dritten Song "The thing that should not be" war dann die Katastrophe perfekt und ich nahm die Platte vom Teller und stellte sie maßlos enttäuscht in den Plattenschrank, fest entschlossen, das Teil dort nie wieder raus zu holen. Ich hatte soviel erwartet und gefühltermaßen überhaupt nichts bekommen. Eiegntlich wäre die Geschichte jetzt vorbei, doch bisher wäre es ja auch noch keine Geschichte! Ihr könnt euch ja sicher denken, daß hier das letzte Riff noch nicht gespielt war. Einige Wochen später, Wochen, in denen ich immer wieder von der Genialität und außerordentlichen Progressivität der Metallica-Alben laß, musste ich die Platte dann doch nochmal heraus kramen und mir diesen Ohren-Graus einfach nochmal antun. Es konnte ja nicht sein, daß mein Kopf von dem melodischen Metal-Gedönse so auf eine Richtung gepolt war, daß es mir nicht möglich war, meinen Horizont zumindest etwas zu erweitern. Und siehe da, schon der Opener hörte sich auf einmal schon ganz anders an wie beim ersten Mal. Ich hörte die Platte zweimal komplett durch und kam zum Schluss, daß sie mir zwar immer noch nicht wirklich gefiel, aber sie auch lange nicht mehr so abstossend war, wie beim ersten Versuch. In den folgenden Wochen gefiel mir diese Musik dann immer und immer besser und ich fand tatsächlich mit jedem Durchlauf ein Stück mehr Zugang zu dieser nicht einfachen aber absolut genialen Musik. Heute ist es für mich eine der besten Platten aller Zeiten! In dieser Zeit begann meine Beziehung mit der Band Metallica, eine Beziehung, die ich hier gerne mit einer Art Ehe vergleichen möchte, doch dazu später mehr. Ich ging also sozusagen den Weg from Zero to Hero, das anfängliche Nichtgefallen änderte sich mehr und mehr in positive Bessessenheit. A new Fan was born! Fortan verschlang ich alles was mit den vier Kalifoniern zu tun hatte, schnell hatte ich die Alben zusammen, eines besser als das andere und doch jedes mit seinem eigenen Charakter. Auch Shirts, EPs und Maxis, ja sogar einige Bootlegs fanden den Weg in meinen Plattenschrank, dabei waren auch eher unnütze Dinger wie Picture Interview Discs in Sägeblatt-Form oder Platten in blauem oder grünem Vinyl, obwohl ich das Original in schwarzem Vinyl schon längst mein Eigen nennen konnte. Aber wie schon gesagt, ich war Fan. Es gibt nur eine Band, die mich ähnlich beeinflusst hat und die mich auch über einen dermaßen langen Zeitabschnitt meines Lebens begleitet hat. Wer mich kennt, weiß, daß ich hier von Iron Maiden rede. Doch der große Unterschied zu meiner Beziehung zu Maiden und der zu Metallica: die zu Maiden hält bis heute an und die zu Metallica zerbrach. Im Jahre 1991 kam das sogenannte Black Album heraus, der langersehnte Nachfolger zum Justice-Album. Entgegen meiner normalen Vorgehensweise, mir neue Platten nicht sofort zu kaufen, machte ich hier eine Ausnahme, ich holte mir an den jeweiligen Erscheinungstagen die Maxi-Auskopplung von "Enter Sandman" und danach auch das Black-Album. Und damit fing alles an. Das Album war schon irgendwie fett, es wurde erstmals von Bob Rock produziert, der bisher nur Glamrock-Bands wie Mötley Crüe im Studio hatte. Der Sound war wie gesagt fett, aber auch irgendwie künstlich aufgeblasen. Die Songs waren gut und auch nicht. Manche waren sehr melodiös und wären sie von einer Hardrock Band gewesen hätte ich sie wahrscheinlich auf Anhieb geliebt. Aber Metallica war das irgendwie nicht, jedenfalls nicht die Metallica, die ich lieben gelernt hatte. Glücklicherweise durfte ich die Mannen um Hetfield und Co. 1991 beim Monsters of Rock in Mainz sehen, meiner Meinung nach die letzte Möglichkeit, noch einmal die wahren Metallica zu sehen, denn danach wurde alles anders. Es fing mit einem kompletten Stilwechsel der Band an, denn die Plattenbosse hatten seit dem Black-Album Blut geleckt und rochen das ganz große Geld. Die Weichspül-Ballade "Nothing else matters" lief im Radio hoch und runter, alle vier Bandmitglieder ließen sich die Haare schneiden, ja manche schminkten sich sogar die Augen. Was war da nur los? Ich entfernte mich immer mehr von "meiner" Band, eben als ob eine Ehe durch einen Seitensprung einen irreparablen Knacks bekommen hätte. Ich verfolgte das Treiben um die Band zwar noch sporadisch, war aber von dem Mainstream-Hype so angewidert, daß meine Liebe zu dieser einst so richtungsweisenden Band Stück für Stück schwand. Und wenn ich hier von Liebe rede, dann ich das nichtmal übertrieben. Damals, in den guten Zeiten unserer "Ehe", kam zum Beispiel mal das Gerücht auf, das James Hetfield, Mastermind und mein absoluter Liebling, bei einem Bühnenunfall mit Pyrotechnik ums Leben gekommen sei. Ihr könnt euch kaum vorstellen, was das in mir auslöste. Hätte es wie später sowas wie das Take-That-Sorgentelefon gegeben, ich hätte dort angerufen und mich ausgeheult. Ich war wirklich zwei Tage fix und fertig. Gott sei dank kam dann aber Entwarunug und die Band liess verlauten, daß es diesen Unfall zwar gab, James aber nur verletzt sei und es ihm den Umständen entsprechend gut ginge. Mein Leben konnte also weitergehen. Doch wieder zurück und auf dem Zeitstrahl nach vorne, der Bruch war nicht mehr zu kitten. Mit der Veröffentlichung des 1996er Albums "LOAD" entschied ich mich zur Scheidung. Das waren nicht mehr meine Metallica. Im übrigen dachten tausende Fans der ersten Stunden ebenso wie ich. Doch das schien dem Quartett nichts auszumachen, denn als Gegenleistung dafür hatten sie ja jetzt speziell in Deutschland Millionen neuer 0815-Alleshörer-Fans, die alles in sich reinsaugten, ob Rammstein oder Böhse Onkelz, Hauptsache stupider Mainstream. Wie es aber so läuft, auch wenn man geschieden ist, man kommt nie ganz und gar vom Ex-Partner los, man schaut wennauch heimlich immer mit mindestens einem Auge auf den Verflossenen und will doch wenigstens ab und an mitbekommen, was dort so abgeht.Mir ging es da ganz ähnlich. Währendessen folgte das ebenso wie sein Vorgänger miese und einfallslos betitelte Metallica-Album "RE-LOAD" (1997) welchem ich ebenfalls keine Beachtung schenkte. Danach war wieder 6 Jahre lang musikalische Funkstille. Aber in den Medien war die Band dennoch, beispielsweise mit ihrem lächerlichen Streit mit der Download-Platform Napster, welche damals Lieder von Metallica unauthorisiert anbot. Daß wir uns richtig verstehen, speziell die Herren Hetfield und Ullrich waren zu dem Zeitpunkt schon Multimillionäre und hätten sowas eigentlich nicht nötig gehabt. Doch die Profitgier liess sie ein ums andere Mal vergessen, woher sie kamen und wer sie eigentlich groß gemacht hatte. Ebenso lächerlich ja schon geradezu demütigend war die Behandlung des damaligen Bassisten Jason Newsted, der ja zu diesem Zeitpunkt (2001) auch schon 15(!) Jahre bei Metallica war. Doch seine Bitte, in einem kleinen Sideprojekt (ECHOBRAIN) spielen zu dürfen, verbot Hetfield kurzerhand. Er feierte diese Entscheidung sogar vor laufenden Kameras im Beisein von Newsted, als Hetfield einem Reporter gegenüber meinte, Newsted hat schliesslich das zu machen, was er ihm sage. Was für eine Schmach, Cliff Burton hätte sich im Grabe herum gedreht, hätte er mitansehen müssen, was aus seinen einstigen Freunden geworden war. Doch selbst das war noch nicht der Tiefpunkt, war noch nicht der Punkt, an dem ich mir sagte, nie wieder Metallica. Sie trieben es noch weiter, denn in dieser Zeit prallten auch die Egos von Hetfield (der dazu noch unter seiner Alkoholsucht litt) und Ullrich übelst aneinander und die Band stand kurz vor dem aus. Doch wie es heutzutage bei allen profitgeilen Möchtegernstars ist, die so eine Situation durchleben: sie machen noch Kohle draus in dem sie einen Psychologen zu Rate zogen und kurzerhand eine Realitiy-Show fürs Fernsehen draus machten. Jetzt konnten die beiden Streithähne ihren Egos freien Lauf lassen und füllten damit noch ihre ohnehin schon zum bersten vollen Geldspeicher auf. Das konnte man damals nur mit einem Wort bezeichnen: ekelhaft. Nun, Jason Newsted verliess dann die Band weil er so einfach nicht weiter machen konnte. Er wurde später von Robert Trujillo ersetzt, den ich bis heute als absolut nicht zu Metallica passenden Fremdkörper sehe, aber das ist wohl nur meine Meinung. Nach diesen Tiefpunkten erholte sich die Band etwas und brachte 2003 das Album "St.ANGER" heraus. Von diesem Album hörte ich seit langen Jahren mal wieder einen Song, es war seit 1991 der erste neue Metallica-Song den ich in meine Ohren ließ, denn von den anderen beiden Alben (LOAD und RE-LOAD) sowie von der Coverplatte "S&M" (1999) habe ich bis heute keinen Song angehört. Zu tief saß der Schmerz! Doch wie gesagt, der Titelsong des "St.ANGER" Albums lief auf MTV und ich dachte mir zuerst: hmm, keine schlechter Song, sehr hart und wütend. Passte also zum Namen. Doch natürlich war der Keil zwischen mir und der Band dadurch keinesfalls gelockert. Auch dieses Album habe ich mir bis heute nicht zugelegt und werde das auch sicherlich bleiben lassen. Wieder vergingen einige Jahre und es wurde sehr ruhig um die Band. Man bekam nur noch wenig mit. Dann, 2008, zwitscherten die Metal-Spatzen was von einer neuen Platte, die bald kommen sollte. Sie hiess "Death Magnetic". Normalerweise hätte mich diese Platte ja auch nicht sonderlich gejuckt, aber viele meiner Kumpels, auch Metalheads der ersten Stunden, versicherten mir, daß DIESE anders sei und es sich lohnen würde, mal wieder rein zu hören. Ich war zwar noch nicht überzeugt, aber spielte dennoch mit dem Gedanken. Es war ja schliesslich sehr viel Zeit vergangen und ich spürte aber, daß ich die Band, trotz aller Enttäuschungen, nie ganz losgelassen hatte, daß da anscheinend immernoch ein gewisser Rest Liebe vorhanden war. Zufällig lief mir die neue CD 2 Wochen nach der Veröffentlichung für lässige 8,99 Euro über den Weg, also schlug ich zu. Und ich sollte es nicht bereuen, denn die "Death magnetic" krallte sich mit den ersten Tönen sofort wieder einige Fasern meines Herzens. Mir war so, als sei DAS das legitime Nachfolge-Album der Justice-Platte von 1988. Sound und Songs erinnerten mich sehr daran. Mir gefiel die Platte auf Anhieb, nicht mehr nicht weniger. Als Fan wollte ich mich aber noch nicht wieder bezeichnen. In dieser Zeit war ich mal wieder bei einer der legendären Musik-Sessions beim meinem Kumpel ThunderStruck, der immer (in letzter Zeit weniger;-) gute neue Sachen am Start hat. Und damals hatte er eine neue Blu-Ray von Metallica, die hieß "Francais pour une nuit" und war zu dem Zeitpunkt nur in Frankreich erhältlich. Zuerst sträubte ich mich, aber dann liess ich mich fallen, fallen in ein Meer von dickstem Sound und messerscharfen Bildern, es war Fernsehen-und hören in einer neuen Dimension. An diesem Abend beschloss ich übrigens, mir ebenfalls einen gescheiten HD-Fernseher samt Bluray-Player zuzulegen, das brauchte ich nach diesem Abend einfach. Doch zurück zum Konzert auf der Bluray. Es kam das Intro aus "2 glorreiche Halunken" und man sah die jetzt schon legendäre Arena von Nimes, in der auch schon andere namhafte Bands spielten. Ich bekam undweigerlich eine Gänsehaut, deren Stoppeln den ganzen Abend nicht mehr verschwinden sollten. Das Konzert von Metallica war von vorne bis hinten Deluxe. Der Sound war Wahnsinn, die Lieder waren hauptsächlich alt und hart wie nie und die Bilder liessen einen glauben, daß man selbst mitten auf der Bühne stand. Kurzum es war perfekt. Und da merkte ich wieder, wie sehr mich diese Band, die ich doch in dem letzten Jahren meistens gehasst hatte, noch immer erreichte. Und wie bei einer Ex-Frau, die man einige Jahre kaum gesehen hatte und die man dann mal wieder zufällig auf der Strasse trifft und weggeflasht ist, wie gut sie doch immernoch aussieht, genau so ging es mir hier mit meiner alten Liebe. Sicher, heiraten werden wir wahrscheinlich nicht mehr, was so viel heisst, daß ich mir sicher nie mehr ein Konzert der Band live geben werde (die Mongo-Dichte ist einfach zu hoch), aber die Beziehung und die immernoch noch lodernde Flamme kann und will ich einfach nicht leugnen, warum auch, letztendes bin ich ja nur mir selbst Rechenschaft schuldig und keinem anderen!!!

METAL UP YOUR ASS AND KILL'EM ALL !!!

So lernte ich sie damals lieben

und so haben sie ihre Fans später verkauft

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