Dienstag, 4. Mai 2010

D-FRESH HIP-HOP JAM (04.06.1994 BONN)



Glücklicherweise hatte ich in meiner musikalischen Jugend diverse Freundeskreise, die auch allesamt verschiedenen Musikstilen huldigten. Demzufolge bekam ich auch immer die besten und neuesten Acts aus den Bereichen Metal, Hardcore und Hip-Hop in die Ohren gestopft.
Wer glaubt, daß diese Mischung nicht funktioniert, irrt sich gewaltig. (Nicht nur) ich bin der lebende Beweis dafür.
Nun denn, von meinen Hip-Hop Kumpels war Philly (den ich hier herzlich grüße, falls er das mal lesen sollte) sozusagen der Mastermind und eines Tages, im Frühling des Jahres 1994 kam er mit einem Fyler für eine in Bonn stattfindende Hip-Hop Jam daher. Neben diversen Künstlern aus allen Bereichen des Hip-Hop (zu den Sprayern kann vielleicht mein Kumpel Jimbo was sagen) sollten als Hauptacts die beiden Britcore-Rap-Legenden GUNSHOT und die mächtigen HIJACK auftreten. Das war Grund genug für uns, die damals Wahnsinns-Strecke von 350 km zurück zulegen und dorthin zu shippern.
Das Ganze fand in einer großen Halle statt und es ging mächtig was los. An jeder Ecke gab es was abzugrätschen: Sprayer, Breaker, Bands - aber natürlich auch fette Hip-Hop Schnittchen und jede Menge Wannabe-Gangstas. Aufgrund der Tatsache, daß man speziell HIJACK in Europa nicht allzu oft zu Gesicht bekam, waren von überall her die Leute angereist.
Irgendwann begann das Rahmenprogramm und zu Beginn wurde ein großer B-Boy Battle
ausgetragen. Aber bevor ich da näher drauf eingehe, muss ich etwas ausholen.
Zu dieser Zeit gab es auf Viva die Hip-Hop Sendung "Freestyle". An sich fand ich die Sendung ganz cool, aber die beiden Moderatoren (Stylewarz und Storm) waren eigentlich immer ziemliche Lufthupen. Ihr Getue war von den Amis dermaßen abgekupfert und kopiert, daß die Typen für einen Laien wie mich ziemlich unglaubhaft schienen.
Doch daß zumindest einer dieser Typen wirklich was aufm Kasten hatte, sollte ich an diesem Abend in Bonn mit offener Fresslucke erfahren.
Eben dieser Storm tanzte mit seiner Crew (Battle Squad) die gesamte Konkurrenz des Abends in Grund und Boden. Ich kenn mich im Break-Dancing sicher nicht annähernd gut aus, aber mein gesunder Menschenverstand gepaart mit einigen fachlich qualitativen Meinungen von vermeintlichen Szene-Kennern sagte mir, daß dieser Trollo wohl doch ne ganz schöne Nummer war. Der Typ machten mit seinem Flummy-Körper Dinge, die ich bis heute nicht verstanden habe.
Hier eine Kostprobe seiner Künste, Storm ist der mit der furchtbaren Mütze:


Danach spielten die Hamburger Hardcore-Rapper von READYKILL. Soweit ich mich erinnere, war da vor der Bühne schon ne ganz gute Meute am Start, obwohl in der Halle noch allerhand Aktivitäten abgingen. Besonders einige verrückte Franzosen machten ne ziemliche Welle und feierten die Songs derbe ab. Irgendwie komisch, seit ich auf Konzerte gehe, waren immer alle froh, wenn auch irgendwelche Franzosen dabei waren. Anscheinend hatten die seit jeher den Ruf besonders durchgeknallt zu sein und es ist nunmal eine unbestreitbare Tatsache, daß ein gutes Konzert erst mit krass abgehenden Mosh-Peoples RICHTIG gut wird. Und da schimpf mir nochmal einer auf die Froschfresser!
Doch dann sollte sich dieser bisher so gut gelaufene Abend eine drastische, ja sogar katastrophale Wendung nehmen.
Nach READYKILL kam so ein Klappstuhl auf die Bühne und meinte, daß er eine sehr schlechte Nachricht hätte. Sofort war es muksmäuschenstill. Man konnte förmlich die Graffiti-Farbe trocknen hören. Dieser Mensch, der für das Dilemma, welches er verkünden müßte, anscheinend nichts konnte, teilte der proppevollen Halle mit, daß wohl der Veranstalter des Abends mit der kompletten Kasse abgehauen sei und auch irgendwelche immens wichtigen Teile der PA mitgenommen hätte. Was für eine arschgefickte Vo***!!!
Die Gesichter der Leute verfärbten sich auf merkwürdige Art und Weise. Manche wurden kreidebleich vor Schreck, manche rot vor Wut, manche grün, weil sie kurz davor waren, ihrem Vordermann die Brockensuppe in den Kragen zu reihern.
Er fuhr dann noch fort, daß man noch etwas Geld übrig hätte, von welchem man den Leuten einen Teil des Eintritts zurückgeben würde. Da das Geld aber in keinster Weise für die Gagen von HIJACK und GUNSHOT genügte, entschieden diese Helden, daß sie deswegen und aufgrund der fehlenden PA nicht mehr auftreten würden. Zu diesem Zeitpunkt war es etwa 22 Uhr.
Tatsächlich nahmen viele Leute das Angebot war, holten sich ein paar Mark zurück und schlichen aus der Halle. WAS FÜR SOFTIES! Mein Kumpel Philly und ich entschieden uns noch abzuwarten, da sich in der Halle bereits einiges an Unmut rührte. Es sah so aus, als sollte da noch was gehen. Es blieben ca. 150 Leute in der Halle, darunter auch wieder einige unserer psychopathischen Freunde aus Frankreich, die in der jetztigen Situation echt gut zu gebrauchen waren. Der Mob begann nämlich kurzer Hand das Inventar auseinander zu nehmen, nach dem Motto: kein Konzert mehr, also auch keine Halle mehr.
Ein Spezialist riss sogar ein Waschbecken aus dem Klo raus und rannte damit eine Ehrenrunde durch die Halle. Die Stimmung war echt aufgeheizt und es war klar, daß die Leute nicht einfach so gehen würden.
Das ganze Getümmel ging über eine Stunde. Und während die Leute gerade lautstark nach ihren Helden aus Brixton forderten, kam wieder unser Dangerseeker auf die Bühne, aber diesmal mit besserer Kunde. Auch wenn sich GUNSHOT feigerweise schon verpisst hatten, waren die Terroristen von HIJACK noch im Haus und entschlossen sich, doch noch aufzutreten.
Und was dann geschah, werd ich meinen Lebtag nicht vergessen, die Jungs kamen in voller Montur auf die Bühne, das volle Programm: Gasmaken, Sturmhauben und Ninja-Schwerter !
So,wie man HIJACK eben kannte.
Aufgrund der fehlenden PA konnte lediglich die HIJACK CD "Horns of Jericho" im Hintergrund laufen. Die Vocals wurden herunter gedreht und dafür rappten die Herren DJ Undercover und Kamanchi Sly live zur Musik. DJ Supreme machte auch noch irgendwas, keine Ahung was genau, das ganze Technik-Gedöhns ist eh net so mein Ding gewesen. Ich weiß nur eins:
150 durchgeknallte Leute, deren Aggressions-Pegel auf "Blitzkrieg" stand rockten zusammen mit 5 nicht weniger durchgeknallten Hijackern diese Show. Es ging saumäßig zur Sache, es wurde gepogt, gedivt und bis erbrechen herum gehüpft. JEDE Textzeile wurde von JEDEM mitgesungen. Die Show war dann nach ner knappen Stunde auch schon wieder vorbei, doch trotz des schlechten Sounds, der fortgeschrittenen Stunde oder des ganzen Gezeters war JEDER, der geblieben war, absolut hin und weg. Die Leute waren verbeult und trieften vor Schweiss, aber keiner ging ohne ein süffisantes Lächeln nach Haus.
An diesem Abend bewiesen HIJACK, was der Begriff "Underground" bedeutet. Wenn auch mit etwas Nachhilfe zeigten sie, daß es beim Rap weiß Gott nicht auf die dicke Autos, phatten Schmuck oder die allgegenwärtige Kohle ankommt. Für HIJACK waren an dem Abend eben nur diese 150 Leute wichtig. Für GUNSHOT nicht!
Und bevor ich jetzt noch sentimental werde, beende ich diese Geschichte mit 2 Videos von HIJACK. Auf den Videos ist zwar nicht annähernd die Publikums-Resonanz zu sehen, wie es sie normalerweise auf deren Konzerten gab, aber die Mucke ist einfach nur gut!

HIJACK - THE TERRORIST GROUP



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen