Samstag, 2. Oktober 2010

PETER GABRIEL (SAP ARENA 30.09.2010)

Als ich diesen Sommer von meiner Süssen zum Geburtstag Peter Gabriel-Tickets geschenkt bekam, war meine Freude auf den ersten Blick ziemlich groß. Denn auch wenn ich sicher nicht der allergrößte Fan des Engländers bin, so habe ich seine Musik doch immer gemocht, seien es seine Solo-Sachen oder auch noch die früheren Genesis-Alben, als er ja noch deren Frontmann war. Auf den zweiten Blick jedoch fand ich zwei Gründe, die die Vorfreude auf dieses Ereignis etwas umnebelten. Einerseits fand das Konzert in der seelenlosen SAP Arena statt, welche ich nie wirklich gern betreten werde und andererseits gab es eine große Unbekannte an diesem Abend. Denn das Konzert von Gabriel sollte ohne Band, ohne Gitarren und Drums stattfinden, sondern lediglich in Begleitung eines klassischen Orchesters!
Eben ganz im Sinne seiner neuen Platte "Scratch my back", die auch "nur" mit klassischer Untermalung aufgenommen wurde und ausschliesslich Cover-Versionen enthält, die alle zusammen eine Art musikalische Geschichte erzählen.
Soviel zur Vorgeschichte, ich hatte also irgendwie keine Ahnung, was genau uns an diesem Abend erwarten sollte.
Die Halle war gut gefüllt aber nicht ausverkauft, rechts und links neben der Bühne hingen Video-Wände auf denen zur "Einstimmung" Misshandlungen von Menschen in aller Welt gezeigt wurden. Ich wußte zwar, dass Gabriel in Sachen Amnesty International relativ aktiv ist, daß er seine Zuschauer aber mit dermaßen realistischen Bildern konfrontiert, fand ich mehr als bemerkenswert.
So ganz nebenbei kam dann olle Peter auf die Bühne geschlichen und trug von einem Zettel ablesend einige deutsche Zeilen vor. Das Ganze lief so unspektakulär und schüchtern ab, daß er unendlich sympathisch und bodenständig rüberkam.
Er verkündete in gebrochenem Deutsch, was das Publikum von dem Abend zu erwarten hatte
Und das die Lieder des neuen Albums sozusagen aufeinander aufbauen und somit ohne Pause hintereinader gespielt werden. Danach gäbe es eine kurze Pause, nach der dann einge Gabriel-Songs zum Besten kommen sollten.
Im Vorprogramm spielte son Björk-Verschnitt, die wohl ebenso aus irgendnem skandinavischen Fjord gekrochen kam, denn trotz ihres unabstreitbaren Talents erweckte sie bei den meisten Zuschauern eher den Wunsch, sich einen spitzen Bleistift ins Auge zu rammen, als dass man es hätte geniessen können. Zu abstrus war der Gesang, zu selbstmord-gefährdet ihre Aura.
Nun denn, nach nur 2 Songs (von denen einer die Vergewaltigung des Klassikers "Big in Japan" war), war auch dieser Spuk ertragen.
Und dann ging es wirklich los!
Eine große LED-Wand wurde nach oben gezogen und ein ca. 30 köpfiges Orchester kam dahinter zum Vorschein. Der sehr junge Dirigent war so dünn, daß er seinem Taktstock erschreckend ähnlich sah. Und trotz des hautengen Anzuges, in dem es selbst einer einjährigen Birke zu eng gewesen wäre, hüpfte und zuckte er den ganzen Abend auf seinem Podestchen herum und hatte dabei seine Gefolgschaft stets unter voller Kontrolle.
Peter Gabriel stand völlig normal und vollkommen unaffektiert auf der Bühne und vermittelte eigentlich immer den Anschein, als sei das Orchester der eigentliche Star des Abends.
Was die Zuschauer speziell in dieser ersten Hälfte des Konzertes zu Gehör bekamen, verschlägt mir sogar heute noch, ganze drei Tage später, (fast) die Sprache.
Die Inszenierung der Lieder war absolut atemberaubend und beinhaltete das volle Spektrum aller Emotionen, welche man durch Musik ausdrücken kann. Von hoffnungsloser Tristess bis zu aggressiver Wut, von Momenten voller Melancholie bis hin zu epischer Dramatik. Wer im Stande war, sich wirklich fallen zu lassen, wird dieser Abend mit Sicherheit als unvergesslich in Erinnerung bleiben. Ganz zu Schweigen von der unglaublichen Stimme Gabriels. Es ist atemberaubend, welche Bandbreite er mit traumwandlerischer Sicherheit abdeckt ohne dabei nur annähernd angestrengt zu wirken. Ich habe selten eine derart tragende Stimme live erleben dürfen.
Nachdem ich von den Coverversionen des ersten Teils kein einziges Lied kannte, war ich ganz guter Hoffnung, wenigstens bei seinen eigenen Songs den ein oder anderen zu kennen, die er im zweiten Teil spielen sollte.
Doch weit gefehlt! Das Programm bestand keineswegs aus seinen Chartbreakern, sondern eher aus (mir) unbekannteren Nummern, bei denen aber wiederum die Gehörgänge mit allen Facetten der musikalischen Gefühlswelt verwöhnt wurden. Trotz einiger progressiveren Nummern, die alles andere als Mainstream waren, muss man das gesamte Konzert als ein großes und perfekt abgestimmtes Kunstwerk betrachten. Anders kann ich es einfach nicht ausdrücken.
Und zum Ende der Show wurde sogar noch einige Songs gespielt, die sogar ich kannte, denn Solsbury Hill oder Don't give up kommen mit klassischer Begleitung echt gut und passten somit auch hervorragend in die Setlist ( im Gegensatz zu Sledgehammer oder Big time, mit seine kommerziell größten Hits, die aber nicht gespielt wurden).
Als Quintessenz dieses grandiosen Abends bleiben mir drei Dinge:
1.) Das musikalische Vermächtnis Peter Gabriels ist weitaus komplexer und genialer wie ich es je erwartet hätte
2.) ich habe mich bisher viel zu sporadisch mit seiner Musik befasst, was sich definitiv bald ändern wird
3.) Peter Gabriel scheint ein unglaublich bescheidener, engagierter und normal gebliebener Mensch zu sein, so zumindest kam er rüber. Eben ein wirklicher Superstar !!!

dank moderner Technik hier ein Video aus dem Netz


und hier noch ein Song seiner neuen Platte

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