Donnerstag, 12. August 2010

MENTALITÄT: ULTRÀ

Hier ein überaus lesenswerter Text eines führenden Ultras der Fiorentina, Domenico Mungo.
Dieser Text zieht momentan durch sämtliche Ultra-Kreise Deutschlands und sorgt allerorts für Gänsehaut, zumindest bei den Leuten, die sich voll und ganz und an jedem Tag ihres Lebens damit identifizieren können, ja in vielerlei Hinsicht diesen Lebensstil übernommen haben.
Der Text, welcher aus Domenico Mungo's Buch CANI SCIOLTI stammt (gibt es leider nur im italienschen Orginal) ist von einer äusserst interessanten und informativen Internetseite eines Deutschen, der in Italien lebt und sich offensichtlich nicht nur mit den oberflächlichen Attributen der Ultras beschäftigt, sondern auch Ahnung von den Werten und der Mentalität hat, die die verschiedenen Gruppen leben.
Den unteren Auszug hätte man tatsächlich nicht treffender und emotionaler ausdrücken können.
Wer bisher keine oder nur wenig Ahnung über Ultras hatte oder gar eine eher ablehnende Meinung zu den Hardcore-Jungs in der Kurve vertrat (die soll es ja anscheinend auch geben),
der wird nach dem Lesen dieses Textes vielleicht einen Deut mehr verstehen, worum es
einem Ultrà geht und wofür er lebt.
Hier natürlich noch der Link zur Seite
http://www.altravita.com/

ENJOY!

“…Ultrà zu sein ist eine Haltung, von der du erst im Lauf der Zeit merkst, dass du sie hast… es ist eine ontologische Dimension, eine Art sich zu den anderen Komponenten dieser Scheißgesellschaft in Beziehung zu setzen, eine vielleicht unerklärbare Lebenshaltung…
Etwas, das du erst nach einer gewissen Zahl an Auswärtsfahrten verstehen kannst. Nachdem du dir auf der Gepäckablage des Zugs den Rücken verbeult hast, auf der du die ganze Nacht versucht hast, ein Auge zuzumachen. Nachdem du ein längst schon trockenes und geschmackfreies Brötchen mit 10 Leuten geteilt hast. Nachdem du eine ganze Woche geackert hast, nur um das zusammenzukratzen, was ein beschissenes Kurventicket kostet. Nachdem du dich stundenlang hinter den Sträuchern des Bahnhofs Caserta versteckt hast, um auf den vorbeikommenden Zug aufzuspringen, der dich in diese verfickte Feindstadt bringt, wo du genau weißt, dass sie dich fertigmachen wollen, weil du sie damals im Hinspiel bis in den Zug geprügelt hattest. Nachdem du bis um 4 Uhr morgens an einem Transpi gemalt hast, mit dem du den Gutmenschen und Wohlmeinenden das in die Fresse rotzt, was diese niemals wissen wollen. Nachdem du um 8 Uhr morgens am Hauptbahnhof deiner Heimatstadt angekommen bist, und nach Hause rennst für eine schnelle Dusche, weil du in ein paar Stunden eine wichtige Prüfung hast. Nachdem du keinen Cent mehr in den Taschen hast, weil das Geld für diesen Vielfraß von Anwalt aufzutreiben war, der die Verteidigung von deinem Kumpel übernimmt, der 15 Tage Knast und 3 Monate Hausarrest dafür bekommen hat, weil er schuldig ist, Ultrà zu sein. Nachdem du dich jedweder Würde beraubt gesehen hast, zusammengedrängt auf wenigen Quadratmetern gemeinsam mit weiteren 200 Personen und den Bullen, die deine Rebellion niederschlagen wollen mit dem stählernen Inneren von verkehrt herum gehaltenen Schlagstöcken, die dir nahelegen, auf den Knien zu bleiben. Nachdem du mit deinen Eltern gestritten hast, die in der Zeitung gelesen haben, du seist ein asozialer Rowdy, Kind einer gewalttätigen und kranken Gesellschaft. Nachdem du dein Mädchen verlassen hast, weil sie dir verboten hat, Auswärts zu fahren. Nachdem du im zweiten Studienjahr erst ganz wenige Prüfungen bestanden hast, weil in deinem Hirn immer noch die Eisenbahngleise poltern und das Krachen der Stöcke, die auf dem Helm irgendeines Polizisten zersplittern…
Ultrà sein heißt das Leben in Freiheit zu leben, und im Bewusstsein, dass irgendjemand dir völlig zufällig diese Freiheit nehmen kann, genau wenn du es am wenigsten erwartest…
Ultrà sein heißt, dies sowohl in der Kurve wie auch an der Uni zu sein, in der Kneipe wie in Bahnhöfen, in Buchhandlungen wie auf dem Stadionvorplatz von Bergamo, in Bibliotheken genauso wie vor einem Polizisten, der ein Mussolini-Tuch um den Hals geschlungen trägt, in den linken Sozialzentren wie auf dem Weg vom Bahnhof in den Auswärtsblock…
Ultrà sein heißt, seinen eigenen Widerstand 365 Tage im Jahr über 360 Grad zu leben, zu erlauben, dass sich das Adrenalin mit Alkohol mischt und eine Mixtur der gesunden Rebellion schafft…

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