Mittwoch, 28. Dezember 2011

BUCHTIP: "ULTRA"



Von Jonas Gabler (auch bekannt aus der kürzlich auf ZDFneo gezeigten und sehr guten Reportage "Wild Germany" über Ultras in Deutschland)
Es gibt sicherlich schon diverse Schriftstücke, die das Phänomen "ULTRÀ" mehr oder weniger passend erklären. Auch ich habe schon das ein oder andere Buch zum Thema gelesen. Natürlich erfindet Gabler mit seinem Buch das Rad nicht neu und einige Infos und Ereignisse sind natürlich bereits bekannt, sofern sich jemand etwas mit der Materie auskennt. Doch Jonas Gablers Buch hat zu anderen 2 gravierende Unterschiede:

1.) Er hat einige Zeit in Italien gelebt wo er als Praktikant fürs "Progetto Ultra" gearbeitet hat, einer Einrichtung die mit einem übergreifenden Fanprojekt zu vergleichen ist. In dieser Zeit hat Gabler offensichtlich sehr viel über die italienischen Ultras und deren Geschichte gelernt hat. Das kommt diesem Buch definitv zu Gute, denn selbst Italien-Kenner werden hier noch neue und überaus bemerkenswerte Fakten über die italienischen Ultras finden.

2.) Und das hat mich besonders verblüfft: im letzten Teil des Buches zieht Gabler ein Fazit und stellt dabei sehr interessante Fragen und Thesen in den Raum. Dies führt unausweichlich zu einer Selbstreflexion des Lesers, sofern er sich Teil einer Ultra-Szene nennt. Auch bei mir lösten einige Thesen und Argumente Gedankengänge aus, die ich so nicht erwartet hätte. Beispielsweise erwähnt Gabler die omnipräsente Ablehnung des moderenen Fussballs. Kaum eine Szene hat sich diesen Grundsatz sprichwörtlich nicht auf ihre Fahne geschrieben. Natürlich auch einige Szenen, die sich offen zu einer linken und antifaschistischen Politik bekennen.
Gabler spannt aber hier den Bogen zu dem eigentlichen Urheber dieses Grundsatzes, denn kein geringerer als der nationalsozialistische Massenmörder Adolf Hitler propagierte zuerst die Ablehnung des modernen Fussballs, natürlich aus anderen Gesichtspunkten wie es sich heute darstellt. Hitler war gegen eine Professionalisierung der Ligen, weil er dadurch eine Unterwanderung der Juden vermeiden wollte. Für mich wirft das schon ein anderes Bild auf diesen Grundsatz, was die HEUTIGEN Motive natürlich in keinster Weise abwertet.
Genauso prangert er richtigerweise an, daß viele Szenen gegen den Staat und dessen Sicherheitsapparat sind, also fast schon anarchistische Tendenzen haben. Die gleichen Szenen fordern aber immer wieder die Einhaltung ihrer Grundrechte, die besonders bei Polizei-Einsätzen in vielen Stadien mit Füssen getreten werden.
Auch dies ist ein Ansatz, über den man sich wahrlich Gedanken machen kann.
Denn wenn ich die Grundrechte eines Staates akzeptiere, kann ich kaum ein wirklicher Anarchist sein.
Das sind nur zwei Beispiele von aufgestellten Thesen, im Buch finden sich noch einge mehr.

Also egal ob Szene-Kenner, Ultra, Fan oder einfach nur für Interessierter:
Kaufen und lesen !!! Es lohnt sich!

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